Achtung Präsens!

Wie das Präsens immer mächtiger wird 

Die Tempusformen des Deutschen sind sehr flexibel und stimmen mit den ihnen zugewiesenen Zeitstufen (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) nicht immer überein: Die Verhältnisse sind bei weitem nicht so geordnet, wie die Termini Präteritum, Präsens, Futur usw. suggerieren. Die grammatischen Tempusformen sind mehrdeutig und entsprechen nicht sechs einfachen Zeitbedeutungen. Am deutlichsten zeigt sich dies beim heutigen Gebrauch des Präsens, das ein besonders großes Tätigkeitsfeld aufweist: 

10 Anwendungen des Präsens 

  1. Gegenwart: Sie liest ein Buch.
  2. Wiederholung: Sie kommt jeden Tag um sechs Uhr nach Hause.
  3. Zukunft (statt Futur I): Sie fährt morgen nach Frankfurt.
  4. Vermutung: Wahrscheinlich kommt sie zur Party.
  5. Dauer: Die Donau fließt ins Schwarze Meer.
  6. Allgemeingültigkeit: Geld ist ein wertvoller Rohstoff.
  7. Aufforderung (statt Imperativ): „Du kommst jetzt sofort her!“
  8. historisches Präsens: Am 14. Juli 1789 beginnt der Sturm auf die Bastille.
  9. registrierendes Präsens: 1543 – Kopernikus‘ Weltbild erscheint in gedruckter Form.
  10. In der Zukunft abgeschlossene Handlung: Sie kommt gleich wieder zurück.

Aus für das Futur I? 

Die Präsensformen untergraben v.a. den Wirkungsbereich des Futur I. In den meisten Fällen, in denen etwas Zukünftiges ausgedrückt werden soll, findet das Präsens samt Zeitangabe (morgen, nächste Woche, bald) Anwendung. Das Futur I wird deshalb nicht verschwinden. Es ist jedoch eine Entwicklung in Richtung modaler Bedeutung erkennbar (z.B. Sie wird später wohl die Bäckerei übernehmen).

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