Der Junge, die Rübe und das Mädchen

Probleme mit dem Artikel 

Letzthin wurde ich erbost gefragt: „Sag mal, wieso heißt es eigentlich der Junge, aber das Mädchen? Da passt doch was nicht!“ Es ist richtig: Da passt was nicht und zwar stimmt das natürliche Geschlecht nicht mit dem grammatischen überein. Es gibt eine etymologische Erklärung dafür (aber „fairer“ wird es dadurch nicht): „Mädchen“ entstammt dem Diminutiv (= Verkleinerungsform eines Substantivs) von „Magd“ (im Ausdruck „Mädchen für alles“ ist diese Herkunft noch bemerkbar). Diminutive haben generell sächliche Artikel (das ist eine der wenigen Fixen Regeln im deutschen Genussystem) und somit heißt es auch das Mädchen.  

Mark Twain, der immer für ein erfrischendes Zitat gut ist, wenn es um Besonderheiten der deutschen Sprache geht, sieht die Spitzfindig- und Ungerechtigkeiten unseres Genussystems folgendermaßen: „Jedes Substantiv hat ein Geschlecht und in dessen Verteilung liegt kein Sinn und kein System. […] Im Deutschen hat ein Fräulein kein Geschlecht, während eine weiße Rübe eines hat. Man denke nur, auf welche übertriebene Verehrung der Rübe das deutet und auf welche dickfellige Respektlosigkeit dem Fräulein gegenüber. […] Ich übersetze das aus einer Unterhaltung in einem der besten deutschen Sonntagsschulbücher: Gretchen: ‚Wilhelm, wo ist die Rübe?‘ – Wilhelm: ‚Sie ist in die Küche gekommen.‘ – Gretchen: ‚Wo ist das gebildete und schöne englische Mädchen?‘ – Wilhelm: ‚Es ist in die Oper gegangen.‘“  

(aus: Mark Twain „Die schreckliche deutsche Sprache“)

 

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