Faszinierende rhetorische Figuren

„Ich heiße Barbara und Sie herzlich im Wunderland Deutsch willkommen.“ 

„Erst ging ihm das Schuhband und dann ein Licht auf.“ – „Der König sagte: ‚Entweder schlage ich dir diesen Wunsch oder gleich deinen Kopf ab.‘“ – „Ich brachte mein Gepäck ins Abteil und mein Erstaunen zum Ausdruck.“ – „Zuerst schlug er ihm ins Gesicht und dann den falschen Weg ein.“ 

Zeugmata im traditionellen und modernen Sinn 

Das sind Zeugmata (griech. zeugma = „Joch“, „das Zusammengespannte“) und somit faszinierende rhetorische Figuren. Im traditionellen Sinn verwendet man die Wortfigur so, dass das gemeinsame Verb in Satzverbindungen nur einmal gesetzt wird (z. B. „Die Begierde besiegte die Scham, die Verwegenheit die Furcht, der Wahnwitz die Vernunft.“).

Moderne Zeugmata haben eine leichte Wandlung durchgemacht: sie sind unlogische, oft sprachwidrige Verbindungen von zwei oder mehreren Ausdrücken durch Einsparung eines logisch notwendigen Satzgliedes (meist eines Verbs). Idealer Ausgangspunkt für ein Zeugma ist ein mehrdeutiges Verb, das in den verschiedenen Ausdrücken, die man verknüpfen möchte, unterschiedliche Bedeutungen hat. Meist enthält die rhetorische Figur zwei Substantive, die auf ironische oder satirische Weise durch ein Verb verbunden sind, das in einem Fall konkrete und im anderen Fall übertragene Bedeutung hat.  

Anleitung zum Erstellen eines Zeugmas 

  1. Man überlege sich ein Verb, das entweder alleine oder in zusammengesetzten Verben auftreten kann (z.B. „heißen“/„willkommen heißen“); oder ein Verb, das mit verschiedenen trennbaren Vorsilben auftritt (z.B. „losgehen“, „heimgehen“ …); oder ein Verb, das unterschiedliche Bedeutungen hat (z.B. „aufgehen“: Schuhband, Licht).
  2. Man finde mindestens zwei passende Substantive für das Verb.
  3. Man formuliere einen Satz und achte darauf, das Verb nur einmal zu setzen.
  4. Man stelle das so entstandene Zeugma im Wunderland Deutsch online, damit sich auch andere an der Sprachspielerei erfreuen können.  

 

Weitere Beispiele für Zeugmata 

  • „Ich fror vor mich hin, denn nicht nur meine Mutter, auch der Ofen war ausgegangen.“ (H. Erhardt)
  • „Ich habe Pappbecher und den Nachmittag frei.“ (U. Eco)
  • „Er hob den Blick und ein Bein gen Himmel.“ (L. Sterne)
  • „Ich gehe aus, Baptist! Vor allem davon, dass Sie mir auf meine Talerchen achten!“ (Dagobert Duck)

 

Die schreckliche deutsche Sprache?

Die schwierigsten Grammatikthemen - Prolog mit Mark Twain

Es ist wahr, dass die deutsche Sprache nicht zu den einfach zu erlernenden Sprachen zählt. Sie hat durchaus ihre Raffinessen und Stolpersteine und bereitet so manchem Lerner erhebliche Schwierigkeiten. Aber nur selten verleiht jemand dem Ärger über diese Schwierigkeiten so laut und vehement Ausdruck wie Mark Twain in seinem Aufsatz „Die schreckliche deutsche Sprache“, der mit der Erkenntnis endet, dass die "deutsche Sprache sanft und ehrfurchtsvoll zu den toten Sprachen gelegt werden" solle, "denn nur die Toten haben die Zeit, diese Sprache zu lernen". 

Deutsch in 30 Jahren 

Zu diesem Schluss kam er auf Grund seiner philologischen Studien, die ihn davon überzeugten, „dass ein begabter Mann Englisch (ausgenommen Rechtschreibung und Aussprache) in dreißig Stunden lernen kann, Französisch in dreißig Tagen und Deutsch in dreißig Jahren." 

Was Mark Twain am schrecklichsten fand

Im Folgenden findet sich eine Zusammenstellung jener Aspekte der deutschen Sprache, die Mark Twain am schrecklichsten zu sein schienen.

  1. Die Suche nach dem richtigen Kasus (am meisten machte ihm der Dativ zu schaffen) verglich er mit der vergeblichen Suche nach einem Ararat, die im Treibsand endet.
  2. Die deutschen Sätze bezeichnete er als „erhabene und ehrfurchtsgebietende Kuriosität“, hasste ihre Parenthesen, Unterparenthesen, Überparenthesen und Hauptparenthesen und forderte einfache und geradlinige Erzählungen.
  3. Ein besonderes Ärgernis waren ihm die „Verbhäufungen“ am Ende von Sätzen („haben sind gewesen gehabt haben geworden sein“).
  4. Die trennbaren Verben sah er als „Blasen eines Ausschlags“, von denen die deutsche Grammatik übersät sei.
  5. Im deutschen Genussystem erkannte er keinen Sinn und kein System und empfahl eine Reorganisation desselben „entsprechend dem Willen des Schöpfers“.
  6. Zur Adjektivdeklination merkte er folgendes an: „Wenn ein Deutscher ein Adjektiv in die Hände kriegt, dekliniert er es und dekliniert es immer weiter, bis der gesunde Menschenverstand ganz und gar herausdekliniert ist.“
  7. Die Komposita waren ihm ob ihrer schweren Verständlichkeit ein besonderer Dorn im Auge. Er bezeichnete sie als „alphabetische Prozession“ und unterstellte manchen von ihnen so lang zu sein, dass sie eine Perspektive aufweisen.
  8. Den Sinn und das System der Satzklammer konnte er nicht nachvollziehen und forderte, das Verb so weit an den Anfang des Satzes zu schieben, dass es mit bloßem Auge leicht zu erkennen sei.

Literaturtipp: Mark Twain „Die schreckliche deutsche Sprache“

Der berühmteste deutsche Satz

"Ich bin ein Berliner!"

Der weltweit berühmteste deutsche Satz, das stellte „Die Welt“ im Juni 2003 fest, stammt aus John F. Kennedys legendärer Rede vom 26. Juni 1963 in Berlin. „Vor zweitausend Jahren“, sagte Kennedy, „war der stolzeste Satz, den ein Mensch sagen konnte, der: ‚Ich bin ein Bürger Roms!' Heute ist der stolzeste Satz, den jemand in der freien Welt sagen kann: ‚Ich bin ein Berliner!‘“ - „Ich bin ein Berliner“ wurde zum international bekanntesten deutschen Satz.

 

 

Im Klammergriff

Die Satzklammer: Segen oder Fluch der deutschen Sprache? 

Eine der ganz besonderen Eigenarten des deutschen Satzes, ja der deutschen Sprache, ist die Satzklammer. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass zwei Teile eines Satzgliedes die anderen Teile des Satzes einschließen  (z.B. „Ich habe das Theaterstück vor zwei Wochen in einem kleinen Theater in Stuttgart gesehen.“). Nur wenige Sprachen fassen die Elemente des Satzes so sehr zu einer inhaltlichen Ganzheit zusammen wie die deutsche. Ein besonders schwieriges Beispiel einer Satzklammer, bei dem mehr als 60 Worte das Subjekt des Nebensatzes von seinem Prädikat trennen, stammt aus Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas“:

„Es traf sich, dass der Kurfürst von Sachsen auf die Einladung des Landdrosts, Grafen Aloysius von Kallheim, der damals and er Grenze von Sachsen beträchtliche Besitzungen hatte, in Gesellschaft des Kämmerers Herrn Kunz und seiner Gemahlin, der Dame Heloise, Tochter des Landdrosts und Schwester des Präsidenten, andrer glänzenden Herren und Damen, Jagdjunker und Hofherren, die dabei waren, nicht zu erwähnen, zu einem großen Hirschjagen, das man, um ihn zu erheitern, angestellt hatte, nach Dahme gereist war ...“ 

 

Vor- und Nachteile der Satzklammer

In der Tatsache, dass der Prozess der Informationsvermittlung lange offen und unbestimmt bleibt, weil die wichtigste Information, meist das Verb, ganz am Ende steht, liegen sowohl Vor- als auch Nachteile der Satzklammer begründet. Einerseits widmet der Leser/der Hörer dem ganzen Satz, bis zum Ende, seine Aufmerksamkeit.  Andererseits ist diese Art des Satzbaues anstrengender und unökonomischer als ein funktionsleichterer ausklammernder Stil, wie er in der gesprochenen Sprache häufig vorkommt.

„Ilsebill salzte nach.“ Teil 2

Die Platzierungen 

Hier die Platzierungen der Kategorien „Erwachsene“ und „Kinder und Jugendliche“ im Detail: 

Erwachsene

  • 1. Platz: Günther Grass, „Der Butt“: „Ilsebill salzte nach.“
  • 2.  Platz: Franz Kafka, „Die Verwandlung“: „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.“
  • 3. Platz: Siegfried Lenz, „Der Leseteufel“: „Hamilkar Schaß, mein Großvater, ein Herrchen von, sagen wir mal, einundsiebzig Jahren, hatte sich gerade das Lesen beigebracht, als die Sache losging.“

Kinder und Jugendliche

  • 1. Platz: Janosch, „Lari Fari Mogelzahn“: „In der Mottengasse elf, oben unter dem Dach hinter dem siebten Balken in dem Haus, wo der alte Eisenbahnsignalvorsteher Herr Gleisenagel wohnt, steht eine sehr geheimnisvolle Kiste.“
  • 2.  Platz: Cornelia Funke, „Tintenherz“: „Es fiel Regen in jener Nacht, ein feiner, wispernder Regen.“
  • 3. Platz: Ildikó von Kürthy, „Blaue Wunder“: „Entweder mache ich mir Sorgen oder was zu essen.“
 

"Ilsebill salzte nach." Teil 1

Der schönste erste Satz?

Nach dem schönsten deutschen Wort wurde die letzten Monate nach dem schönsten ersten Satz der deutschsprachigen Literatur gesucht. Mehr als 17.000 Menschen aus über 60 Ländern haben sich mit ihren Vorschlägen und Begründungen an dem Wettbewerb beteiligt. Am meisten Einsendungen gab es für den ersten Satz von Franz Kafkas „Verwandlung“.

Die Jury

Aber „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt“ landete nur auf dem zweiten Platz – so wollte es die Jury. Diese betonte übrigens, dass jeder Leser selbst entscheidet, was schön ist. Wenn das so ist, drängt sich natürlich die Frage auf, wozu dann eine Jury nötig ist und man nicht einfach eine Abstimmung online stellt – der Vorschlag mit den meisten Stimmen gewinnt.

„Der Butt“ von Günther Grass

„Ilsebill salzte nach“ ist nett. Es ist anders. Es ist kreativ. Es ist banal – spontan fallen mir ein Dutzend ähnlicher Sätze ein und vielleicht hätte z. B. „Ilsebill pfefferte nach“ sogar mehr Pfiff. (Mit dem ersten Satz aus Kafkas Verwandlung funktioniert das nicht so einfach.) Der Gewinner des Wettbewerbs, Lukas Mayrhofer aus Wien, begründet seine Wahl u. a. damit, dass der Roman in der Folge eine „Weltgeschichte“ aufbaue – „Ilsebill salzte nach“ ist demnach der Auftakt zu einer Weltgeschichte. Aber ist dieser Satz der schönste erste Satz der deutschsprachigen Literatur? Oder – provokativ gefragt – möchte die Jury Günther Grass, der im letzten Jahr die Lorbeeren früherer Jahre vermisst haben mag, wieder versöhnen?