Eine andere Sprachgeschichte

Humorvolle Etappen der deutschen Sprachgeschichte

Der „Verein für Sichwichtigtun im Namen der Sprache Deutsch“, der auf seiner Homepage sarkastisch-humoristische Artikel zur deutschen Sprache und zum Sprachgebrauch präsentiert, widmet sich in einem umfangreichen Beitrag der deutschen Sprachgeschichte auf unkonventionelle Art. Dabei wird klar, dass die Bedeutung von Konrad Duden in „herkömmlichen“ Sprachgeschichten bislang unterbewertet und Karl-Heinrich Koma glatt vergessen wurden. Einige „Eckdaten“ dieser Sprachgeschichte sollen hier präsentiert werden.

1870 Konrad Duden erfindet die Sprache Deutsch. Einen ganzen Tag lang braucht er dafür, aber am Abend hat er es endlich geschafft - und kann noch vor 20 Uhr in sein Bettchen hüpfen und dann schlafen.

1874 In einer noch anderen Stadt wohnt Karl-Heinrich Koma. Er erfindet einen kleinen unscheinbaren Strich, den er einfach nur „das Koma” nennt. Weil er sich mit seinem kleinen Strich so wichtig macht, wird er von seinen Nachbarn böse ausgelacht - seine Familie hält jedoch zu ihm.

1876 Karl-Heinrich Koma stirbt. Nach seinem Tode führt seine Tochter Nadja das Lebenswerk ihres Vater's fort. Sie gründet das „Deutsche Koma-Institut” und entwickelt ein umfassendes REGELWERK für die Anwendung des Koma's, die so genannten „Koma-Regeln”.

1880 Zusammen mit dem Bernstein-Zimmer wird das Koma aus Deutschland geraubt und taucht 4 Jahre später in Russland als „Komma” wieder auf.

1884 Konrad Duden erkennt die Wichtigkeit von Punkt und Komma - und möchte beide in die Sprache Deutsch eingliedern. Den Punkt bekommt er von August Mackensen geschenkt, doch das Komma befindet sich noch immer im Besitz der Russen. Konrad Duden möchte den Russen deshalb das Komma abkaufen, doch die Russen möchten lieber tauschen. Sie erhalten im Tausch für das Komma einen Teil Nord-Amerika's, nämlich Alaska, welches sie 2 Jahre später - bei einem weiteren Tauschgeschäft - an die USA weitergeben.

1918 Deutschland beginnt und verliert den Ersten Weltkrieg, darf die Sprache Deutsch aber behalten.

1939 Der Zweite Weltkrieg hat begonnen. Fritz von Langenscheidt erobert mit einer Hand voll Soldaten Elsass-Lothringen und führt dort - gegen den Widerstand der französischen Bevölkerung - die Sprache Deutsch ein.

1945 Der Zweite Weltkrieg fordert viele Opfer. Zeitweise bricht die Versorgung der Soldaten mit Ausrufungs-Zeichen zusammen. Die ersatzweise verwendeten Frage-Zeichen führen zu Verwirrungen unter den deutschen Soldaten - und Deutschland verliert deshalb den Krieg.

 

Die gesamte Geschichte der Sprache Deutsch" finden Sie unter http://www.sichwichtigtun.de

 

Faustbrausen

Es hat sich längst nicht ausgebraust!

 „Schick mir dafür den ,Doktor Faust' / sobald Dein Kopf ihn ausgebraust!“ schrieb Friedrich Wilhelm Gotter im Sommer des Jahres 1773 an den jungen Goethe, nicht ahnend, dass es noch dreiunddreißig Jahre im Freundesschädel brausen würde, bevor der Tragödie erster Teil endlich fertiggestellt war. Ein weiteres Vierteljahrhundert später war das Faustbrausen wieder so stark, dass Goethe im Tagebuch festhalten konnte: „den Hauptzweck verfolgt“; „im Hauptgeschäft vorgerückt“; „am Hauptgeschäft fortgefahren“. 

Ein wunderbarer Artikel über die Entstehung von Johann W. v. Goethes berühmtestem Werk, „Faust“ fand sich letztes Jahr vor Ostern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Bald kommt wieder Ostern und somit auch die „Faustzeit“ – es möge heftig brausen!

 

Selbstbetrachtung für mehr Lebensfreude 

Und woher Goethe seine Lebensfreude bezog, wird ebenfalls beschrieben. Das Konzept würde sich gut zur Modellbildung eignen:

Goethe, dem aufmerksame Selbstbetrachtung keinen geringen Teil seiner Lebensfreude spendete, hat den eigenen Schaffensprozess immer wieder kommentiert - Homer hätte sich ein Beispiel daran nehmen sollen. So schrieb der Achtzigjährige, dem die Sorge um den noch immer unausgeführten vierten Akt zu schaffen machte, er habe sich das Manuskript binden lassen, damit ihm die „sinnliche Masse“ vor Augen stehe. Die Leerstelle des vierten Akts hat er einfach mit weißem Papier ausgefüllt, also das Nichts, das Ungeschaffene, greifbar gemacht. Es liege, schrieb der geniale Selbstmotivator, in „solchen sinnlichen Dingen mehr, als man denkt, und man muss dem Geistigen mit allerlei Künsten zu Hilfe kommen“.  

Der Mensch ist nur Mensch durch Sprache

Wilhelm von Humboldt - Sprachgenie, Politiker und Wissenschaftler 

„Die Vermessung der Welt“, der Bestseller von Daniel Kehlmann, der seit Jahren die Verkaufslisten nicht nur in den deutschsprachigen Ländern anführt, widmet sich Alexander von Humboldt, dem Bruder von Wilhelm. Es steht außer Diskussion, dass Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835) zu den Helden der deutschen Sprache gezählt werden kann und dass es an der Zeit wäre, ihm eine ähnlich erfolgsträchtige literarische Hommage zu widmen.

Obwohl die fruchtbarste Zeit seiner Sprachstudien erst 1820, nachdem er sich enttäuscht aus dem politischen Leben zurückgezogen hatte, begann, gilt er als Begründer der vergleichenden Sprachforschung und –wissenschaft. Schon als 13-jähriger sprach Wilhelm fließend Griechisch, Latein und Französisch. Später erlernte er Englisch, Italienisch, Spanisch, Baskisch, Ungarisch, Tschechisch und Litauisch. Diese umfangreichen Sprachkenntnisse erleichterten ihm seine Sprachstudien, in denen er sich hauptsächlich den Eingeborenensprachen Amerikas, dem Koptischen, dem Altägyptischen, dem Chinesischen, dem Japanischen und dem indischen Sanskrit widmete. In seinem Menschenbild spielte Sprache die Schlüsselrolle: „Denn da das menschliche Gemüt die Wiege, Heimat und Wohnung der Sprache ist, so gehen unvermerkt, und ihm selbst verborgen, alle ihre Eigenschaften auf dasselbe über“.

In den letzten Jahren seines Lebens schreibt Wilhelm „Über die Kawi-Sprache auf der Insel Java“, dem er die einleitende Abhandlung „Über die Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts“ voranstellt. Diese Einleitung stellt die Summe seiner Sprachreflexion und seiner empirischen Sprachforschungen dar und sein Ruhm bleibt dauerhaft mit ihr verbunden.

Alexander schreibt nach dem Tod von Wilhelm über dessen sprachwissenschaftliche Bestrebungen: „Er hat neben sich entstehen sehen und mächtig gefördert eine neue allgemeine Sprachwissenschaft, ein Zurückführen des Mannigfaltigen im Sprachbau auf Typen, die in geistigen Anlagen der Menschheit gegründet sind: Den ganzen Erdkreis in dieser Mannigfaltigkeit umfassend, jede Sprache in ihrer Struktur ergründend, als wäre sie der einzige Gegenstand seiner Forschungen gewesen, (…) war der Verewigte nicht nur unter seinen Zeitgenossen derjenige, welcher die meisten Sprachen grammatikalisch studiert hatte; er war auch der, welcher den Zusammenhang aller Sprachformen und ihren Einfluss auf die geistige Bildung der Menschheit am tiefsten und sinnigsten ergründete.“

Alles Gute zum Geburtstag, Ferdinand!

Ferdinand de Saussure – Begründer der Sprachwissenschaft 

Er ist eigentlich kein Held der deutschen Sprache selbst, aber seine Forschungen helfen uns dabei, sie zu verstehen. Vor genau 150 Jahren, am 26. November 1857, wurde der Begründer der modernen Sprachwissenschaft und des Strukturalismus, Ferdinand de Saussure, in Genf geboren. Seine Konzepte fanden nicht nur in der Linguistik, sondern auch in der Anthropologie, in der Psychoanalyse und in der Literaturwissenschaft Anwendung.

Die großen Leistungen des Ferdinand de Saussure
  • Nach seiner Dissertation über die Sanskrit-Grammatik unterrichtete er an den Universitäten von Paris und Genf. In seinen Vorlesungen zu Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft zwischen 1906 und 1911 liegt sein späterer Ruhm begründet. (Das Werk verfasste allerdings nicht Saussure selbst; die Mitschriften wurden von seinen Studenten postum veröffentlicht.)
  • Für Saussure bestand Sprache aus drei Teilen, die sich gegenseitig bedingen: aus menschlicher Rede (langage), abstraktem Regelsystem (langue) und aus dem Sprechen (parole) – nur langue konnte für ihn Gegenstand der Sprachwissenschaft sein.
  • Er unterteilte die Sprachwissenschaft in „synchrone“ (Sprache als System von Werten zu einem bestimmten Zeitpunkt) und in „diachrone“ Sprachwissenschaft (zeitliche Entwicklung der Werte).
  • Berühmt wurde auch seine „Theorie des sprachlichen Zeichens“: Sprachliche Zeichen bestehen im Sinne Saussures aus einem Signifikat (= begriffliche Inhaltsseite) und aus einem Signifikant (= Ausdrucksseite). Beispielsweise bezeichnet die Lautfolge „Haus“ (Signifikant) die Vorstellung eines tatsächlichen Hauses (Signifikat)

 

Ein beispielloses Projekt der Superlative

Das „Deutsche Wörterbuch“ oder „Der Grimm“ 

Das Deutsche Wörterbuch (auch „Der Grimm“ genannt) ist das größte Wörterbuch des deutschsprachigen Raumes und umfasst insgesamt 33 Bände mit 67.744 Spalten und 350.000 Stichwörtern. Es stellt das engagierteste und ehrgeizigste sprachwissenschaftliche Arbeitsvorhaben der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm dar und wurde selbst von seinen Erschaffern massivst unterschätzt. Die Brüder  begannen 1838 mit den Arbeiten zum Wörterbuch und veranschlagten für die geschätzten sechs bis sieben Bände zehn Jahre Arbeitszeit. Mehr als 80 Mitarbeiter standen ihnen bei den Belegsrecherchen zur Seite und trotzdem waren bei ihrem Tod lediglich vier Bände des monumentalen Werkes abgeschlossen. Jacob starb 1863 während der Bearbeitung des Artikels „Frucht“, Wilhelm war schon 1858 verstorben. 

Konzept des Wörterbuchs

Jacob und Wilhelm Grimm konzipierten das Wörterbuch als Sammlung sämtlicher Wörter aus der Zeit von „Luther bis Goethe“ und wollten weniger ein Regelwerk als eine Art Naturgeschichte der Wörter schaffen. Sie stellten die Bedeutungsgeschichte des jeweiligen Wortes in den Mittelpunkt der einzelnen Wortartikel und belegten die historischen und damals aktuellen Verwendungsweisen anhand von hunderten Zitaten aus literarischen Werken, fachsprachlichen Texten und aus dem Alltagsgebrauch. 

Jacob und Wilhelm Grimm

Zwei Leben für die deutsche Sprache

Jacob (1785 – 1863) und Wilhelm (1786 – 1859) Grimm kommt die Ehre zu, als erste in der Kategorie „Helden der deutschen Sprache“ aufgeführt zu werden. Hierbei schwingt auch kein noch so unmerklicher Unterton sarkastischer oder ironischer Art mit, wie bei einigen der folgenden „Helden“, denen die Gänsefüßchen gebühren. Ganz im Gegenteil: Hochachtungsvoll und voller Ehrfurcht muss das Leben und Schaffen, das ganz der deutschen Sprache gewidmet war, betrachtet werden.Ihr Werk ist unglaublich vielfältig und umfangreich und geht über die zweibändige Sammlung der „Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm“ (1812-1815), die sie berühmt gemacht hat, weit hinaus.  

 

Die 10 großen Heldentaten der Brüder Grimm:

  1. Die Brüder Grimm gelten als Begründer von gleich drei Wissenschaftsrichtungen: den germanischen Altertumswissenschaften, der germanischen Sprachwissenschaft und der deutschen Philologie.
  2. Sie lieferten die ersten soliden Bestandsaufnahmen älterer deutscher Literatur.
  3. Jacob erarbeitete vier Bände seiner „Deutschen Grammatik“. Dabei handelte es sich nicht um eine schematische Beschreibung des Aufbaus der zeitgenössischen Sprache. Vielmehr wollte er „ein historisches Leben mit allem Fluss freudiger Enwicklung in sie zaubern“. Er bezieht sich in seinen Schriften auf sämtliche germanische Sprachen, ihre Zusammenhänge und ihre geschichtliche Entwicklung.
  4. 1822 formulierte Jacob ein erstes Lautgesetz für die germanischen Sprachen, das bis heute als „Erste Lautverschiebung“ bezeichnet wird (im Englischen „Grimm’s Law“). Damit legte er zudem das Fundament für die moderne Etymologie, die sich der Forschung zum sprachübergreifenden Bedeutungswandel widmet).
  5. „Reinhart (Reineke) Fuchs“ wurde 1834 nach 23 Jahren Arbeit (Jacob hatte 1811 damit begonnen, dürfte seine Energien aber hauptsächlich anderen Werken gewidmet haben) veröffentlicht.
  6. In seinem zweibändigen Werk „Deutsche Mythologie“ untersuchte Jacob vorchristliche Glaubensvorstellungen und Aberglauben und stellte sie der klassischen Mythologie und den christlichen Legenden gegenüber.
  7. Wilhelms Bestrebungen widmeten sich der Poesie des Mittelalters, den deutschen Heldensagen sowie der Runenforschung.
  8. Jacobs Forschungen zur Namenskunde umfassten Arbeiten zu hessischen Ortsnamen, germanischen Göttinnen und zur Bildung von Eigennamen. Dabei wies er vor allem darauf hin, dass in Eigennamen frühe Wortformen bewahrt geblieben sein können, die aus der Umgangssprache verschwunden sind.
  9. Jacob und Wilhelm arbeiteten an der Formulierung der Menschenrechte in Deutschland mit.
  10. Das monumentalste und bei weitem ehrgeizigste Projekt der Brüder stellte aber das "Deutsche Wörterbuch" (auch „Der Grimm“ genannt) dar, in das sie unglaublich viel Zeit steckten. Trotzdem arbeiteten sie selbst nur bis zum Buchstaben D (Wilhelm) bzw. F (Jacob starb während der Arbeiten zum Eintrag „Frucht“).